Wagenknecht will nur „konstruktive Mitglieder“ aufnehmen – „Wahrscheinlich gar nicht so unklug“ (2024)

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Von: Sonja Ruf

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Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) möchte nur „konstruktive“ Mitglieder aufnehmen. Was das genau bedeutet, erklärt der Politikwissenschaftler Constantin Wurthmann im Interview.

Berlin – Sahra Wagenknecht und ihr Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) – ein Thema, welches zurzeit in aller Munde ist. Gestern veröffentlichte die neu gegründete Partei einen ersten Entwurf für ihr Europawahlprogramm und machte damit unter anderem ihre EU- und USA-skeptische Haltung erneut transparent. Wenige Tage zuvor überraschte die 54-jährige Führungsfigur der neuen Partei mit sehr detaillierten Angaben zum Mitgliederzuwachs des BSW, die eine potenzielle Unterwanderung des BSW vermeiden sollen.

In einem ersten Schritt wurden beispielsweise lediglich 450 Mitglieder aufgenommen, alle weiteren Unterstützer und Unterstützerinnen sollen Interesse anderweitig oder durch Spenden zum Ausdruck bringen. Des Weiteren sollen Neumitglieder eine Art Bewährungsperiode durchlaufen und die Aufnahme von „nicht-konstruktiven“ Mitgliedern soll im Vorfeld vermieden werden. Einen direkten Wechsel von der AfD zum BSW schloss die BSW-Führungsriege in diesem Zusammenhang aus. Was bedeutet „nicht-konstruktiv“ konkret und lassen sich diese Vorstellungen in der politischen Praxis überhaupt umsetzen?

Linken-Bundesgeschäftsführerin Schubert: „Bündnis um Sahra Wagenknecht gleicht noch eher einer Sekte“

Darauf angesprochen, zeigte sich die ehemalige stellvertretende Parteivorsitzende und jetzige Bundesgeschäftsführerin der Linkspartei Katina Schubert entsetzt über Wagenknechts Vorstellungen. Konkret sagt sie: „Das Bündnis um Wagenknecht gleicht noch eher einer Sekte als einer demokratischen Partei. Ein kleiner Kreis von Egomanen gibt die Richtung vor, man wird aufgefordert brav zu spenden, aber sollte doch bitte nicht Mitglied werden. Das ist absurd und verlässt jeglichen demokratischen Anspruch.”

Der Politikwissenschaftler Prof. Dr. Constantin Wurthmann äußert sich differenzierter über die Vorstellungen des BSW im Hinblick auf das Thema Mitgliederaufnahme. Im Sommer, ebenfalls im FR-Interview befürchtete er bereits eine schlussendliche Spaltung der Linkspartei, welche nun offiziell eingetreten ist. Der gebürtige Düsseldorfer hat aktuell eine Vertretungsprofessur für Vergleichende Politikwissenschaft an der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen-Nürnberg inne, wo er zu Parteien, zum Wahlverhalten und zur politischen Repräsentation in Deutschland forscht.

Wagenknecht will nur „konstruktive Mitglieder“ aufnehmen – „Wahrscheinlich gar nicht so unklug“ (1)

Herr Wurthmann, das BSW hat zunächst erstmal nur 450 Mitglieder aufgenommen. Weitere interessierte Leute könnten die Partei anderweitig unterstützen oder spenden. Was halten Sie davon?

Ich glaube, dass das gar keine schlechte Idee ist. Man hat ja offenbar Lehren aus vorangegangenen Parteigründungen gezogen, bei denen Versuche der Unterwanderung vorgenommen worden sind. Man erlebt beziehungsweise hört das ja jetzt auch immer wieder aus der AfD, dass es da zum Beispiel in Bayern vorgekommen sein soll, dass Mitglieder in einen Kreisverband geschleust worden sind, um einen Direktkandidaten durchzudrücken. Die Strategie, dass man da kontrolliert wachsen will, ist wahrscheinlich gar nicht so unklug. Damit kann man natürlich auch erstmal anfangen, die Partei strukturell so aufzubauen und auch so unter Kontrolle zu behalten, wie man das vielleicht zu Beginn erstmal möchte.

Das heißt im Grunde genommen, halten sie die gewählte Herangehensweise von Sahra Wagenknecht für klug?

Ja, solange sie am Ende juristisch auch haltbar ist, auf jeden Fall. Das kann ich aber nicht abschließend bewerten. Es gibt ja erstmal keine Notwendigkeit, jemand in die Partei aufzunehmen. Und wenn man jemanden in die Partei aufgenommen hat, ist es eben auch zunächst einmal sehr schwierig diese Person wieder loszuwerden. Das hat man ja anhand verschiedenen Parteiausschlussverfahren in Deutschland in den letzten Jahren gesehen. Die finale Diskussion, inwiefern das mit dem Gedanken einhergeht, dass Parteien offen sein und quasi auch die Sozialisation ihrer Mitglieder ermöglichen sollen, kann ich abschließend nicht bewerten – das müssen Juristen machen.

BSW will sich „kontroverses Personal“ vom Hals halten

Wenn Sahra Wagenknecht nun sagt, es sollen zunächst nur „konstruktive Mitglieder“ in der Partei toleriert werden – Wie genau könnten sich denn „konstruktive“ Mitglieder von „nicht-konstruktiven“ unterscheiden, beziehungsweise wie würde man das denn feststellen?

Also woran genau sie das tatsächlich festmacht, ist offen, aber manche Personen sind vielleicht für das Gesamtgefüge einer neuen Partei destruktiver als andere. Es ist ja jetzt so, dass Frau Wagenknecht im Vorfeld schon klargemacht hat, bestimmte Personen nicht in ihrer Partei haben zu wollen. Das führt natürlich dazu, dass die Partei versucht, sich selbst problematisches beziehungsweise kontroverses Personal vom Hals zu halten. Denn natürlich, was die neue Partei nicht braucht, sind Personen, die erstmal priorisiert sich und ihre eigene Karriere im Fokus zu sehen, auch wenn es bei aussichtsreichen Parteineugründungen als nachvollziehbar erscheint, dass solche Personen angezogen werden. Auf der anderen Seite ist es natürlich auch vorteilhaft nicht Personen zu nehmen, die durch ihre Personalie von den Inhalten der Partei ablenken.

Wagenknecht will nur „konstruktive Mitglieder“ aufnehmen – „Wahrscheinlich gar nicht so unklug“ (2)

Und Sie würden, weil Sie das gerade kurz angedeutet haben, die Partei als aussichtsreich bewerten?

Ja, also ich sehe zumindest keinen Grund, wieso man das nicht tun sollte. Wenn es eine erfolgversprechende Parteigründung in den letzten Jahren gegeben hat, dann ist es vermutlich das BSW. Weil sie eine inhaltliche Lücke ausgefüllt. Und tatsächlich fühle ich mich darin, wenn ich mir ansehe, wer für die Europaliste gewonnen wurde, auch durchaus bestätigt. Mit Fabio De Masi hat man ein politisches Schwergewicht für das BSW gewonnen. Vor dem Hintergrund wirkt das doch alles sehr durchdacht. Es war ja auch bekannt, dass es schon lange geplant war diese Partei zu gründen. Von daher, würde ich jetzt erstmal davon ausgehen und auch weil die Hürden bei der Europawahl relativ gering sind, dass die Partei dort Erfolg haben wird. Was danach kommt, muss man sehen.

Mit Fabio De Masi hat man ein politisches Schwergewicht für das BSW gewonnen.

Bei der Vorstellung des BSW hatte Sahra Wagenknecht angedeutet, dass es eine sogenannte Bewährungsperiode für neue Mitglieder geben solle. Was halten Sie davon und untergräbt dieser Gedanke nicht demokratische Prinzipien, in dem es die Hürden zur politischen Meinungsbildung und Partizipation erhöht?

Das erhöht absolut die Hürden der demokratischen Partizipation, aber ich glaube, man muss sich bei der Partei, wie sie sich jetzt aufstellt, auch die Frage stellen, ob sie diese in der Fläche überhaupt so will. Ein kontrolliertes Wachstum und konstruktive Mitglieder haben zu wollen setzt voraus, dass man erstmal nicht zu einer Massenbewegung werden möchte, sondern dass man eine sehr stark auf politische Eliten zugeschriebene Führungsriege hat, die sehr stark zentriert und hierarchisch organisiert ist. Das ist natürlich ein Führungsstil, den man aus dem radikal linken Spektrum schon kennt, beispielsweise auch aus altkommunistischen Parteien, aber das ist halt ein Modell von vielen, wie man so eine Partei organisieren und gestalten kann. Das sind eher normative Fragen, die man an dieser Stelle diskutieren müsste. Allgemein geht es hierbei eben um einen Mechanismus, der dahinter steckt und dazu führen soll, dass die Kontrolle bei der Parteiführung bleibt und dass die Partei nicht gekapert wird.

BSW schließt AfD-Mitglieder von vornherein aus

Abschließend noch die Frage: Die Führung des BSW schließt im Vorfeld einen Wechsel von der AfD zum BSW aus. Wie kann das konkret verhindert werden?

Na, indem man die Person nicht aufnimmt, weil sie nicht mit den Werten der Partei übereinstimmt. Das geht ganz einfach eigentlich.

Und ganz konkret? Am Beispiel der Parteiausschlussverfahren zeigt sich ja schon, wie schwierig es ist, die inhärenten Wertevorstellungen von Parteimitgliedern wirksam und konsequent festzustellen.

Man konnte ja beispielsweise bei Andreas Kalbitz in der Brandenburg-AfD sehen, was es bedeutet, wenn eine Partei Kriterien hat, Mitglieder unter bestimmten Umständen nicht aufnehmen zu wollen und wie jene dann auch durchgesetzt werden. Beispielsweise, weil bei einem Beitritt über bestimmte Vergangenheitsaktivitäten gelogen wurde. Das heißt, es ist durchaus möglich. Außerdem kann man natürlich auch relativ klar definieren, unter welchen Umständen man Leute aufnimmt oder nicht aufnimmt. Dabei ist natürlich die Frage nach der Parteimitgliedschaft noch ziemlich einfach. Alles Weitere betrifft erneut den juristischen Bereich, wozu ich nicht allzu sprechfähig bin. (Sonja Ruf)

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